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15
06
2022

Impact Investing ist nicht nur eine Anlagestrategie, es bedeutet auch Zukunftssicherung.

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Jörg Geier
Jörg Geier ist selbstständiger Berater und Partner bei der PDIE Group, ein internationales Consulting- und Trainingsnetzwerk und Thinktank für nachhaltige Innovationen. Er ist Mitglied im Club of Rome und Vorstand sowie Programmdirektor des Arts & Nature Social Club, einem Verein, dessen Ziel es ist, Führungskräfte für die Herausforderungen unseres Planeten zu sensibilisieren. Lesen Sie hier das Interview mit ihm.


Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Impact Investing in den letzten Jahren? Verlief diese, wie Sie sie erwartet haben?

Jörg Geier: Wir sind auf dem richtigen Weg. Allerdings müssen wir unsere Bemühungen weiter beschleunigen, um die notwendige ökonomische und gesellschaftliche Transformation anzustoßen: Der Bericht Investing for Impact der International Finance Cooperation stellt fest, dass im Jahr 2020 2,3 Billionen US-Dollar für Impact-Themen investiert wurden. Dies entspricht etwa 2 % der globalen Assets under Management (Anm. d Red.: AUM, Deutsch: verwaltete Vermögen). Impact Investing ist nach wie vor eine kleine Marktnische, die jedoch auf wachsendes Interesse stößt. Die Europäische Kommission veröffentlichte 2021 ihre „Strategie zur Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft“. Als Teil der Strategie gibt es mehrere Maßnahmenpakete, einschließlich eines EU-Taxonomie-Rahmens und Standards für nachhaltige Finanzen, welche die notwendigen Anreize für mehr Impact-Investitionen setzen sollen. Solche rechtlichen Rahmenbedingungen sind essenziell, um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzubringen. Es tut sich also etwas.

Wie die COVID-19-Pandemie gezeigt hat, können Krisen die Resilienz von Unternehmen sogar stärken: Eine zunehmende Anzahl der Investoren erkennt an, dass Unternehmen mit starken ESG-Praktiken während der Pandemie besser abgeschnitten haben, was die nachhaltige Ausrichtung der Unternehmensstrategie zusätzlich untermauert. Dennoch gibt es noch viel Luft nach oben: Die Messbarkeit von Impact ist eine notwendige Grundlage, um in Bereichen wie CO₂-Emissionen und Biodiversität weiter Fortschritte zu erzielen. Ein objektiver Wert kann in der Finanzwelt nämlich nur zugeordnet werden, insofern sich etwas messen lässt. Daher tummeln sich in diesem Bereich auch immer mehr Impact-orientierte Start-ups.
In anderen Ländern, etwa Großbritannien, wirbt die Regierung aktiv für das Impact Investing.

Glauben Sie, die deutsche Regierung könnte absehbar auch eine solche Empfehlung aussprechen oder ist das Impact Investing dafür noch zu wenig präsent im Land?

Jörg Geier: Aus dem im November 2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag der Bundesregierung geht hervor, dass die Ampel-Koalition den Markt für nachhaltige Finanzen in Deutschland stärken möchte. Bereits die vorangegangene Regierungskoalition hatte im Mai 2021 die „Deutsche Strategie für Nachhaltige Finanzierung (Sustainable Finance)“ angeschoben, um so Klimaschutz und Nachhaltigkeit als wesentliche Leitgedanken für die Finanzwirtschaft festzulegen. Der Koalitionsvertrag der Rot-Grün-Gelben-Regierung geht im Kapitel zu „Sustainable Finance“ vor allem auf bereits laufende EU-Initiativen ein. Im Vordergrund steht hier auch der Dialog mit der Wirtschaft, indem ökologische und soziale Werte in bestehende Rechnungslegungsstandards integriert werden. Ziel der Koalitionsparteien ist zudem, auf EU-Ebene Mindestanforderungen umzusetzen, so dass die großen Rating-Agenturen Nachhaltigkeitsrisiken bei Kreditratings verbindlich berücksichtigen.

Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht arbeitet auf Basis von EU-Verordnungen ebenfalls an einer Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen, um so zu definieren, wie Kapitalverwaltungsgesellschaften ihre Fonds künftig ausgestalten müssen, wenn sie diese als nachhaltig bezeichnen oder bewerben wollen. Dennoch hat in vielen angelsächsischen Ländern das Anlegen in Aktien eine andere Tradition als in Deutschland. Deshalb geht es in Deutschland nicht nur darum, ein Bewusstsein für Impact-Investitionen zu schaffen, sondern für ein Anlageverständnis, das über das vielseits beliebte Sparbuch hinausgeht, gerade bei älteren Menschen. Dies ist womöglich eine zusätzliche Hürde.

Wird Impact Investing denn absehbar auch die Millionen Kleinaktionäre erreichen, die es mittlerweile in Deutschland gibt? Bisher gibt es für diese nur sehr wenige Angebote.

Jörg Geier: Nicht zuletzt aufgrund des stetig wachsenden Interesses an nachhaltigen Finanzprodukten bei Anlegern und Kleinaktionären steigt auch der Druck auf Seiten der Anbieter. Dies hat zur Folge, dass vermehrt Fonds angeboten werden, die nachhaltigen Anlagekriterien unterliegen. Eine Alternative zu herkömmlichen Fonds könnten börsengehandelte Indexfonds, die sogenannten ETFs, sein. Auch bei ETFs existieren nachhaltige Varianten. Direktinvestitionen in einzelne Titel erfordern gemeinhin ein größeres Hintergrundwissen. Unternehmen werden von Rating-Agenturen zwar auch nach sogenannten ESG-Kriterien bewertet; aber um diese einordnen zu können, müssen häufig unterschiedliche Kriterien und persönliche Präferenzen, etwa ökologische oder soziale Belange, abgewogen werden.

Resiliente Systeme werden wir langfristig nur etablieren können, wenn wir Menschen in Einklang mit der Natur leben.
Jörg Geier

Durch Russlands Überfall auf die Ukraine ist die Weltwirtschaft aus den Fugen geraten. Lieferketten fallen weg, ganze Länder werden vom internationalen Handel abgeschnitten. Hat das auch Auswirkungen für das Impact Investing?

Jörg Geier: Hier eine pauschale Aussage zu treffen, ist sehr schwer. Ob ein Unternehmen gestärkt oder geschwächt aus dieser schlimmen Krise hervorgehen wird, hängt von vielen Faktoren ab. Dazu gehören unter anderem die Branche und der jeweilige Bedarf an Rohstoffen. Auch die Kleinteiligkeit der Lieferkette und die Geschwindigkeit, mit der auf Lieferanten in vom Krieg oder Sanktionen nicht betroffenen Ländern gesetzt werden kann, spielen eine wichtige Rolle. Hat man durch eine Integration der Produktion wichtiger Komponenten im eigenen Unternehmen eine größere Kontrolle darüber, so lassen sich Unwägbarkeiten und Abhängigkeiten ggf. vermeiden. Dies gilt grundsätzlich für alle Unternehmen, ob sie nun nachhaltig sind oder nicht.

Wie die Bundesregierung im Zuge des Krieges angedeutet hat, soll zunehmend auf Energieunabhängigkeit gesetzt werden, um sich so von der starken Dependenz von fossilen Brennstoffen zu lösen. Dies wiederum kommt, u.a. über Subventionen, der Erneuerbare-Energien-Branche zugute. Wenn man jedoch als Beispiel Batteriesysteme heranzieht, denen eine zunehmend wichtige Rolle zukommt, um nachhaltig produzierten Strom zwischenzuspeichern, dann gibt es auch hier wieder Abhängigkeiten von bestimmten Rohstoffen. Diese werden häufig in nur wenigen Ländern gefördert – manchmal unter fragwürdigen Bedingungen – während die Nachfrage danach tendenziell weiter ansteigen wird.

Die Krise zeigt sehr deutlich, wie abhängig wir mittlerweile von anderen Ländern in einer global vernetzten Wirtschaft sind. Während erst die Globalisierung – einschließlich globaler Lieferketten, Arbeitsteilung und sozialer Entwicklung – ein über Jahre andauerndes Wirtschaftswachstum, angefeuert durch Ideenreichtum und Innovation, möglich machte (wenn auch häufig auf Kosten der Umwelt), so ist die Schattenseite nun umso sichtbarer. Wie die Autoren des bekannten Berichts an den Club of Rome, „Die Grenzen des Wachstums“, bereits 1972 aufzeigten, unterliegen komplexe Systeme – wie eben die globale Wirtschaft – Wechselwirkungen, die sich nicht mit linearem Denken in Ursache und Wirkung aufteilen lassen. Deshalb ist es so schwer, die genauen Auswirkungen abzusehen.

Würden Sie sagen, dass die aktuellen Ereignisse rund um den Krieg in der Ukraine auch für das Impact Investing eine Zeitenwende darstellt? Welche anderen Herausforderungen sehen Sie in diesem Zusammenhang?

Jörg Geier: Ich würde die Zeitenwende nicht speziell auf das Thema Impact Investing beziehen. Die Krise stellt für die Weltwirtschaft generell eine Herausforderung dar. Wenn überhaupt, dann kann man sagen, dass die Wirkungsorientierung einer Investition wichtiger denn je ist. Abgesehen von den Renditen gilt es verstärkt darauf zu achten, welchen Nutzen eine Investition für die Gesellschaft oder die Umwelt erzielt – und welche Regime durch Investitionen gefördert werden. Früher ist man mal davon ausgegangen, dass eine globale Verflechtung der Wirtschaft Kriege durch gegenseitige Abhängigkeiten verhindert. Nun wurden wir auf eine tragische Art und Weise eines Besseren belehrt.

Die Gas-Pipeline Nord Stream 2 ist das beste Beispiel für eine verfehlte Energiepolitik, die nicht genug diversifizierte und Deutschland stattdessen in eine einseitige Abhängigkeit führte. Dies betrifft nicht nur Investitionen in einzelne Firmen, sondern ausländische Direktinvestitionen im weiteren Sinne. Unter die Lupe genommen werden sollten daher auch die Länder, wo die Firmen ansässig sind und wie es z.B. um die Menschenrechte vor Ort bestellt ist. Wenn man jedoch erst einmal mit dem Auseinanderklamüsern der globalen Zusammenhänge und Abhängigkeiten – politisch, ökonomisch und sicherheitspolitisch – beginnt, dann merkt man schnell, wie komplex die Gemengelage ist und wie schwierig, die Verflechtungen zu lösen. In der Vergangenheit wurde für gesunde Profite oftmals ein Auge oder zwei zugedrückt, wenn es um die Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt ging. Unter Impact-Investing-Gesichtspunkten sollte dies tunlichst vermieden werden.

Impact Investing wird stark mit Klimaschutzmaßnahmen verbunden, auch die UNO nannte solche Investitionen als einen wichtigen Schlüssel für das Erreichen der UNO-Nachhaltigkeitsziele bis 2030. Nun gibt es Kriege, Pandemien, Massenmigration. Besteht die Gefahr, dass der Klimaschutz dadurch global an Bedeutung verliert und damit auch das Impact Investing?

Jörg Geier: Kurzfristig lautet die Antwort leider Ja. Aber zum Glück wissen neben den Verbrauchern, maßgeblich angespornt durch die Fridays-for-Future-Bewegung, auch entscheidende Kräfte in Politik und Wirtschaft (einschließlich des Finanzsektors) um die Risiken des Nichthandels. Um negative Auswirkungen auf die Wirtschaft zu vermeiden, bedingt z.B. durch Umweltkatastrophen wie Überflutungen oder Tornados, werden Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Mittel zur Risikominderung mittel- bis langfristig weiter an Bedeutung gewinnen. Demzufolge wirken sich vorbeugende Maßnahmen auch positiv auf die Rentabilität eines Unternehmens aus. Im Hinblick auf eine nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft muss jedoch weiterhin mit Rückschlägen gerechnet werden.

Vor kurzem gab Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekannt, dass der eigene Agrarsektor als Folge des Ukraine-Kriegs eine „landwirtschaftliche Unabhängigkeit“ anstrebt. Im Rahmen des Green Deals der EU möchte er der Produktivität somit Vorrang vor den Zielen einer nachhaltigen Landwirtschaft einräumen. Während es andere EU-Länder ähnlich sehen, spricht sich der Bundesagrarminister Cem Özdemir dagegen aus. Dennoch sollte der langfristige Nutzen, den eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft mit sich bringt, weiterhin im Vordergrund stehen. Meiner Meinung nach dürfen Produktivität und Nachhaltigkeit nicht gegeneinander ausgespielt werden. Resiliente Systeme – hierbei denke ich unter anderem an eine klimaneutrale Energiegewinnung durch erneuerbare Energien sowie eine regenerative Landwirtschaft – werden wir langfristig nur etablieren können, wenn wir Menschen in Einklang mit der Natur leben. Im Falle der konventionellen Landwirtschaft resultiert eine Überdüngung oftmals in einer hohen Nitratbelastung der Böden, die wiederum zu einer Belastung des Grundwassers führt. Die negativen Auswirkungen der Kohleverbrennung auf das Klima sind hinlänglich bekannt. Nachhaltigkeit steht daher nicht nur für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit, sondern auch für Risikominimierung und ein wirtschaftlich strategisches Denken. Mit einer langfristig orientierten Anlagestrategie im Rahmen eines Impact-Investing-Ansatzes können wirkungsorientierte Unternehmen positioniert und somit Risiken minimiert werden.

Wie lautet Ihre Einschätzung für die weitere Entwicklung des Impact Investing in den nächsten Jahren?

Jörg Geier: Das Impact Investing wird sicherlich weiter an Bedeutung gewinnen, auch wenn es zwischenzeitlich in der Trendlinie Ausschläge nach unten geben wird. Alle Gradmesser weisen in eine positive Richtung.

Wie positionieren Sie sich angesichts der oben beschriebenen Entwicklungen? Und was bedeutet für Sie Transformation mit Hilfe von Impact Investing?

Jörg Geier: Obwohl es gemeinhin herausfordernd ist, sich als Generalist und Systemdenker zu positionieren, sehe ich genau dies als ein wichtiges Merkmal an: Exponentielle Entwicklungen erfordern, dass wir uns schnell und flexibel auf neue Begebenheiten einstellen müssen, insbesondere wenn es sich dabei um komplexe Systeme handelt. Das gilt für einen persönlich ebenso wie für Unternehmen und Gesellschaften. Unternehmen werden langfristig nur bestehen können, wenn sie zugleich ganzheitlich und nachhaltig denken, um auf den geänderten Zeitgeist zu reagieren. Impact Investoren haben diese Entwicklung erkannt und sich entsprechend ausgerichtet. Impact Investing ist daher nicht nur eine Anlagestrategie, es bedeutet auch Zukunftssicherung.

Quellen

Dieser Beitrag wurde von Gideon Böss verfasst und erschien zuerst im Impact Investing Magazin:
https://www.impactinvestings.de/zukunft/impact-investing-ist-nicht-nur-eine-anlagestrategie-es-bedeutet-auch-zukunftssicherung/

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