Teilen Sie diesen Artikel & Unterstützen Sie unsere Mission Alpha for Impact
12
04
2021

Wenn vom Free Lunch am Ende (fast) nichts übrig bleibt.

Post by 
Oft wird behauptet, dass Diversifikation das einzige Free Lunch an den Märkten sei. Doch das muss nicht grundsätzlich stimmen – insbesondere dann nicht, wenn die damit verbundenen, teils (zu) hohen Gebühren mit berücksichtigt werden.

Diversifikationseffekte in der Praxis

Es ist unumstritten, dass verschiedene Anlageklassen, die neben positiven Renditeerwartungen  eine möglichst geringe Korrelation sowie eine erhöhte Dispersion untereinander aufweisen, der Theorie nach einen klassischen Diversifikationseffekt bieten. Dieser stellt einen „kostenlosen“ Mehrwert, also ein Free Lunch im Sinne eines verbesserten Rendite/Risiko-Verhältnisses des Gesamtportfolios dar.

In der Praxis sieht die Sache aber oft anders aus. Hier sind folgende drei Herausforderungen zu nennen, die den Umfang des Free Lunch einschränken:

  • während die erwarteten Renditen der verschiedenen Anlageklassen positiv sind, können die tatsächlich erzielten Renditen auch über längere Zeiträume negativ sein
  • die Korrelationen der meisten Asset-Klassen untereinander sind in der Regel positiv und zudem oft höher als in theoretischen Modellen angenommen
  • vor allem in Krisenzeiten, in denen die Portfolios besonders auf die Streuung der Risiken angewiesen sind, versagt die Diversifikation regelmäßig

Diese Punkte führen dazu, dass die effektiven Diversifikationsvorteile in der Praxis geringer sind als anhand klassischer Modelle zu erwarten. Die meisten Marktteilnehmer werden also – bildlich gesprochen – von ihrem schmackhaften Free Lunch am Ende kaum satt, weil es in Wahrheit eine Menge leerer Kalorien enthält. Deshalb müssen sie für eine auskömmliche Rendite letztlich auch höhere Risiken in den Speiseplan integrieren. Und dennoch: Die Diversifikation über mehrere Anlageklassen bliebt in den meisten Fällen insgesamt ein Vorteil, wenngleich ein kleinerer als erwartet.

Eine Frage der Kosten

Allerdings haben wir in der bisherigen Betrachtung eine wichtige Komponente vernachlässigt: Die anfallenden Gebühren für eine fortlaufende Positionierung in den einzelnen Anlageklassen. Diesem Thema widmet sich die von William Jennings und Brian Payne verfasste Studie „Fees Eat Diversification's Lunch“. [1] Wie der Titel schon erahnen lässt, argumentieren die Autoren, dass die teils hohen Kosten den verbleibenden Vorteil der Diversifikation weitgehend aufzehren.

Die Studie greift auf ein Konzept zurück, das Charles Ellis schon im Jahr 2012 in einem kurzen Journal-Beitrag beschrieb. [2] Demnach sollten die Gebühren nicht als Prozentsatz der Assets under Management, sondern als Prozentsatz des tatsächlich erzielten Alphas gemessen werden – und aus dieser Perspektive sind die Gebühren erstaunlich hoch.

Gebühren aus unterschiedlichen Perspektiven
Bild 1) Relative Perspektive
Die Grafik zeigt schematisch drei verschiedene relative Perspektiven ein- und derselben Gebühr – links in Relation zum verwalteten Vermögen,
in der Mitte in Relation zu den erzielten Renditen und rechts in Relation zum tatsächlich erzielten Alpha.
Quelle: Jennings, W. W. / Payne, B. C. (2016), Fees Eat Diversification's Lunch

Der vergleichsweise teure Zugang insbesondere zu alternativen Investments stellt eine ökonomische Ineffizienz dar, die im Zeitablauf erstaunlich beständig blieb.

Geringe Alphas

Aus früheren Studien ist bekannt, dass der US-Aktienmarkt – direkt oder implizit – den dominanten Risikofaktor der meisten Anlageklassen darstellt und entsprechend auch den größten Teil der in institutionellen Portfolios erzielten Renditen erklärt. [3] Eine einfache Möglichkeit zur Messung des Alphas ist es deshalb, die jeweiligen Renditen um den US-Aktienmarktfaktor zu bereinigen. Entsprechend betrachtet die eingangs genannte Studie die Gebühren in Relation zum Alpha der einzelnen Asset-Klassen, was deren wahres Diversifikationspotenzial zeigt. [1]

In ihren Untersuchungen kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass sich die Risiken der meisten „diversifizierenden“ Anlageklassen wie vermutet überwiegend durch das Beta des US-Aktienmarkts erklären lassen und nur geringe Alphas aufweisen.

Gleichzeitig sind die Gebühren in der Regel deutlich höher als für klassische Kernanlageklassen. Diese beiden Effekte führen dazu, dass der wahre Diversifikationsvorteil recht gering ausfällt oder – insbesondere bei Funds of Hedge Funds – mitunter sogar ganz verschwindet. Zudem ändert sich bei dieser Betrachtung die Reihenfolge der Anlageklassen, die zur effektiven Diversifikation infrage kommen.

Allokationsalpha vor und nach Gebühren
Bild 2) Kosten entscheidend
Hedge Fonds weisen gegenüber internationalen Aktien eine deutlich geringere Korrelation zum US-Aktienmarkt und damit ein höheres Alpha auf (links). Bereinigt um die hohen Gebühren von Hedge Fonds und die niedrigen Gebühren standardisierter, internationaler Aktienprodukte sieht die Sache dagegen umgekehrt aus. Die genauen Gebühren sind dabei in der Regel von der Höhe der Assets under Management abhängig.
Quelle: Jennings, W. W. / Payne, B. C. (2016), Fees Eat Diversification's Lunch

Die Autoren schlussfolgern, dass der vergleichsweise teure Zugang insbesondere zu alternativen Investments eine ökonomische Ineffizienz darstellt, die im Zeitablauf erstaunlich beständig blieb. Die nachfolgende Grafik zeigt die Verteilung von 45 absteigend nach Alpha sortierten Asset-Klassen vor und nach Kosten. Dabei ist zu beachten, dass auch positive Alphas aufgrund meist vergleichsweise hoher Standardabweichungen nur eine moderat hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, in einem einzelnen Jahr tatsächlich einen positiven Renditebeitrag zu liefern, während die gezahlten Gebühren in jedem Fall verlorengehen. Die betrachteten Anlageklassen stammen aus einer Einordnung von J. P. Morgan und die verwendete Erhebung von tatsächlich verhandelten Gebühren von Callan Associates.

Alpha-Verteilung nach Anlageklassen
Bild 3) Alpha-Verteilung aller Anlageklassen
Quelle: Jennings, W. W. / Payne, B. C. (2016), Fees Eat Diversification's Lunch

Fazit

In der Praxis sind mögliche Diversifikationsvorteile grundsätzlich mit den entsprechenden Implementierungskosten abzuwägen. Diese Einschätzungen müssen von vornherein kombiniert in der Ausrichtung einer langfristigen Asset Allocation berücksichtigt werden. Andernfalls kann es schnell passieren, dass der bekannte Ökonom Milton Friedman mit seiner einst populären Behauptung recht behält:

„There's no such thing as a free lunch“.

Erfahrungsgemäß fallen die Gebühren vor allem in etwas exotischeren Anlageklassen wie Hedge Fonds, Private Equity und Emerging Markets Bonds vergleichsweise hoch aus. Sollten Zweifel über die nach Kosten verbleibenden Diversifikationsvorteile bestehen, gilt ähnlich wie beim Thema aktive vs. passive Investments, dass Instrumente mit niedrigen Kosten zu bevorzugen sind.

Quellen

[1] Jennings, W. W. / Payne, B. C. (2016), Fees Eat Diversification's Lunch, Financial Analysts Journal, Vol. 72, Nr. 2, S. 31-40
[2] Ellis, C. D. (2012), Investment Management Fees Are (Much) Higher Than You Think, Financial Analysts Journal, Vol. 68, Nr. 3, S. 4-6
[3] Leibowitz, M. L. / Bova, A. (2005), Allocation Betas, Financial Analysts Journal, Vol. 61, Nr. 4, S. 70-82

Sie möchten diesen Beitrag – komplett oder in Auszügen – für Ihre Zwecke verwenden? Dann berücksichtigen Sie bitte die folgende Creative Commons-Lizenz.