In dem folgenden Interview spricht Scarlett Eckert, Geschäftsführerin der Intalcon Foundation, mit Ann Christin Kornelsen, Gründerin und wissenschaftliche Leiterin der Non-Profit-Organisation Mission to Marsh. Mit ihrer Leidenschaft für den Schutz und die Wiederherstellung von Mooren setzt sich Ann Christin Kornelsen für den Erhalt dieser einzigartigen Ökosysteme ein, die eine Schlüsselrolle im Klima- und Naturschutz spielen. Gemeinsam sprechen sie über die Bedeutung von Mooren, die Herausforderungen im Moorschutz und die Vision für eine nachhaltige Zukunft.
Scarlett Eckert: Was ist die Vision von Mission to Marsh und welche Ziele verfolgt die Organisation langfristig?
Ann Christin Kornelsen: Unsere Vision ist es, Moore als wertvolle Lebensräume und als Schlüsselakteure im Klimaschutz wiederherzustellen und dauerhaft zu schützen. Langfristig wollen wir ein europaweites Netzwerk von Schutz- und Renaturierungsprojekten etablieren, um den Wasserhaushalt dieser einzigartigen Ökosysteme zu stabilisieren und ihre Artenvielfalt zu erhalten. Gleichzeitig möchten wir Menschen inspirieren und in unsere Projekte einbinden, um eine breite gesellschaftliche Unterstützung für den Moorschutz zu gewinnen.

Scarlett Eckert: Warum sind Moore für den Klimaschutz und die Biodiversität so wichtig?
Ann Christin Kornelsen: Moore sind wahre Klimahelden! Sie speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen und verhindern so, dass CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Doch das ist nicht alles: Sie bieten unzähligen spezialisierten Tier- und Pflanzenarten einen einzigartigen Lebensraum, regulieren den Wasserhaushalt und helfen bei der Vermeidung von Hochwasser. Ihre Bedeutung für den Klimaschutz und die Artenvielfalt kann daher gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Scarlett Eckert: Was sind die größten Bedrohungen für Moore in Deutschland und weltweit?
Ann Christin Kornelsen: Die größte Bedrohung ist die Entwässerung für Landwirtschaft, Siedlungen und Infrastrukturprojekte. Deutschlandweit sind bereits über 95 % der Moore zerstört oder stark beeinträchtigt. Hinzu kommen der Torfabbau für Gartenbauprodukte sowie die zunehmende Belastung durch den Klimawandel, der Moore zusätzlich austrocknen kann. Diese Entwicklungen führen dazu, dass Moore statt Kohlenstoff zu speichern, selbst große Mengen davon freisetzen.
Scarlett Eckert: Warum genau setzen sie dadurch selbst große Mengen Kohlenstoff frei? Was für ein Prozess steht dahinter?
Ann Christin Kornelsen: Moore speichern ihren Kohlenstoff im Torf – das ist abgestorbenes Pflanzenmaterial, das sich unter Wasser ohne Sauerstoff nicht zersetzt. Sobald ein Moor entwässert wird, gelangt Luft an diesen Torf. Dann startet die Zersetzung – ähnlich wie bei Kompost – und der gebundene Kohlenstoff entweicht in die Atmosphäre. Aus einem Klimaschützer wird dann ein Klimakiller.
Scarlett Eckert: Welche Maßnahmen sind notwendig, um Moore effektiv zu schützen und zu renaturieren?
Ann Christin Kornelsen: Der wichtigste Schritt ist die Wiedervernässung, also die Rückführung des Wassers in die Moorlandschaft. Dazu müssen Entwässerungsgräben geschlossen und der natürliche Wasserhaushalt wiederhergestellt werden. Ergänzend dazu braucht es ein nachhaltiges Flächenmanagement, rechtliche Schutzmaßnahmen und eine enge Zusammenarbeit mit Landbesitzenden, Behörden und der Wissenschaft.
Scarlett Eckert: Welche Hürden gibt es bei der Umsetzung von Moorschutzprojekten und mit welchen speziellen Herausforderungen seid ihr konfrontiert?
Ann Christin Kornelsen: Moore haben ein schlechtes Image. Viele denken bei diesen Feuchtgebieten zuerst an gruselige Sümpfe mit Mücken und Moorleichen. Dabei sind intakte Moore magische Orte, die es nicht nur wegen ihrer Benefits für uns Menschen zu schützen sind. Einfach ausgedrückt möchten wir, dass die Menschen wie wir ihr "Amore für die Moore" entwickeln und Moorschutz gut finden.
Scarlett Eckert: Könnt ihr uns von einem eurer bereits erfolgreich durchgeführten Projekte erzählen und was es für die Gemeinschaft bedeutet hat?
Ann Christin Kornelsen: Eines unserer Leuchtturmprojekte ist die Renaturierung des Venner Moors bei Osnabrück. Hier haben wir gemeinsam mit lokalen Partnern ein ehemaliges entwässertes Moor wieder vernässt und so wertvollen Lebensraum für seltene Arten geschaffen. Das Projekt hat nicht nur die Natur profitieren lassen, sondern auch das Bewusstsein der Anwohner für den Wert ihrer Moorlandschaft gestärkt. Durch Mitmachaktionen und Aktionen wie den MOORATHON konnten wir viele Menschen für den Moorschutz begeistern.

Scarlett Eckert: Was bedeutet konkret wieder vernässt? Wie kann man sich das vorstellen?
Ann Christin Kornelsen: Wiedervernässung heißt: Wir bringen das Wasser zurück ins Moor. Dazu werden Entwässerungsgräben verschlossen oder Staudämme eingebaut, damit der Grundwasserspiegel steigt. Wenn der Boden dauerhaft nass bleibt, kann sich das wichtige Torfmoos wieder ausbreiten – und das Moor beginnt von selbst, Kohlenstoff zu speichern, statt auszustoßen. Es ist, als würde man den „Pause“-Knopf für den Kohlenstoff-Ausstoß drücken.
Scarlett Eckert: Wie messt ihr den Erfolg eurer Projekte?
Ann Christin Kornelsen: Erfolg bedeutet für uns sichtbarer Umweltschutz. Wir können uns die Flächen anschauen und sagen: Hier war früher alles trocken gelegt und nun lebt die Natur hier voller Insekten, Vögeln und Reptilien. Wir reden dadurch nicht mehr über unseren ökologischen Fußabdruck, sondern über unseren Handabdruck: was können wir mit unseren Händen und Fähigkeiten für die Natur umsetzen!
Scarlett Eckert: Gibt es hier konkrete Kennzahlen, die ihr messt?
Ann Christin Kornelsen: Ja, ganz konkret! Wir messen z. B. den Wasserstand im Boden, die Entwicklung der Vegetation und die CO₂-Emissionen mit speziellen Sensoren. Außerdem beobachten wir, wie typische Moorarten zurückkehren – also ob zum Beispiel wieder Torfmoos wächst oder moortypische und deswegen vom Aussterben bedrohte Insekten auftauchen. Das sind alles messbare Indikatoren dafür, wie erfolgreich ein Projekt ist.
Scarlett Eckert: Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von anderen Organisationen mit ähnlichem Ziel?
Ann Christin Kornelsen: Das ist eine sehr gute Frage. Wir setzen mit unserer Arbeit vor allem auf die neuen Technologien: wir nutzen die Kraft von Social Media um Menschen für unsere Mission zu begeistern, setzen auf Storytelling, wenn es darum geht von Moorschutzprojekten zu berichten und fördern den Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Drohnen. Andere Organisationen setzen doch lieber auf die "altbewährten" Lösungen, aber wir glauben Moorschutz muss nicht immer nur mit Gummistiefel und Spaten umgesetzt werden, sondern darf groß gedacht werden.
Scarlett Eckert: Wozu genau setzt ihr Künstliche Intelligenz und Drohnen ein?
Ann Christin Kornelsen: Drohnen liefern uns hochauflösende Luftbilder und gleichen diese mit Daten aus unseren Sensoren in den Moorflächen ab. Die KI hilft dann, diese Bilder automatisch auszuwerten – etwa um Vegetationstypen zu erkennen oder Veränderungen im Wasserhaushalt zu analysieren. So können wir schneller und präziser einschätzen, wie gut ein Renaturierungsprojekt funktioniert – und sogar vorhersagen, wo Eingriffe am sinnvollsten wären.

Scarlett Eckert: Welche neuen Projekte oder Initiativen plant ihr in den nächsten Jahren?
Ann Christin Kornelsen: In den kommenden Jahren wollen wir weitere Moorflächen in Europa renaturieren und unser Angebot ausbauen. Gerade haben wir den Mission to Marsh Kinofilm veröffentlicht und sind damit in ganz Europa auf Tour. Parallel entwickeln wir unsere eigenen Technologien wie Moorsensoren und werden diesbezüglich noch in 2025 eine große Ankündigung machen.
Scarlett Eckert: Wie kann das Bewusstsein für die Bedeutung von Mooren in der Gesellschaft gestärkt werden?
Ann Christin Kornelsen: Bewusstsein entsteht durch Erlebnisse. Deshalb setzen wir auf emotionale und inspirierende Formate wie Filme, interaktive Veranstaltungen und Mitmach-Aktionen. Je mehr Menschen verstehen, wie wertvoll Moore für unser Klima und unsere Zukunft sind, desto größer wird die Unterstützung für ihren Schutz!
Scarlett Eckert: Abgesehen davon, an euch zu spenden, was kann jeder von uns für den Schutz der Moore tun?
Ann Christin Kornelsen: Erstens: Bewusstsein schaffen – sprich mit anderen über Moore oder zeig ihnen unseren Film. Zweitens: Besuch ein Moor – es gibt großartige Führungen und Wanderungen! Drittens: Konsum überdenken – viele Blumen und Gartenprodukte enthalten Torf. Besser auf torffreie Alternativen setzen. Und wer aktiv unterstützen will: Eine Moorpatenschaft verschenken oder bei unserem MOORATHON mitmachen, der am 1. September wieder beginnt. Dabei können Menschen ihre Bewegung für den Moorschutz spenden. Wie genau das funktioniert und wie man kostenlos mitmachen kann steht auf MOORATHON.de.
Scarlett Eckert: Vielen Dank für das interessante Interview. Ich hoffe, dass ihr in Zukunft viele weitere Mitstreiter für eure Mission gewinnen könnt und wünsche euch für alle künftigen Vorhaben viel Erfolg.