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01
2021

Sharpe vs. Sortino: Welche Kennzahl ist die bessere Wahl?

Post by 
Dr. Giorgos Siligardos
Die Rendite (Nettogewinn) einer Handelsstrategie allein sagt nichts über die Qualität der Strategie. Ebenso wichtig ist die Betrachtung des Risikos. Der nachfolgende Beitrag beschreibt zunächst die Sharpe Ratio und deckt ihre Schwächen auf. Als Alternative dazu wird anschließend die Sortino Ratio vorgestellt. Erfahren Sie schließlich, welche der beiden Kennzahlen das Rendite-Risiko-Verhältnis einer Strategie am besten wiedergibt.

Die SHARPE RATIO

Im Jahre 1966 von William F. Sharpe als Performancemesszahl für Investmentfonds eingeführt, genießt die Sharpe Ratio heute Benchmark-Status bei der Bewertung und Optimierung von Investments und Handelsstrategien. Die Formel setzt die Überrendite einer Strategie ins Verhältnis zur Standardabweichung und beschreibt damit das Rendite-Risiko-Verhältnis der zugrunde liegenden Handelsstrategie. Die Formel lautet wie folgt:

Sharpe Ratio Formel
Abb. 1) Sharpe Ratio Formel

Berechnungsbeispiel:

durchschnittliche Jahresrendite: 10 Prozent
risikoloser Zins: 2 Prozent
Standardabweichung der jährlichen Rendite: 5 Prozent
Sharpe Ratio = (10% - 2%) / 5% = 1,6.

Je höher die Sharpe Ratio, desto besser das Rendite-Risiko-Verhältnis des Investments.

KEINE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN AUFWÄRTS- UND ABWÄRTSVOLATILITÄT

So nützlich und logisch diese Formel auch ist – es gibt einen wesentlichen Einwand gegen die Sharpe Ratio als Kennzahl der risikoadjustierte Profitabilität eines Handelssystems. Der zentrale Punkt hierbei betrifft die Rolle der Standardabweichung als

Gradmesser des Risikos: Durch die Betrachtung sowohl positiver als auch negativer Erträge zur Bestimmung des Risikos macht die Sharpe Ratio nämlich keinen Unterschied zwischen „guter“ und „schlechter“ Volatilität der Performance. Dabei wird die Volatilität, die durch Aufwärtsschübe in der Kapitalkurve erzeugt wird, im Gegensatz zur Abwärtsvolatilität von Investoren sicher präferiert. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht diesen Zusammenhang:

Kapitalkurven vs. Sharpe Ratio
Abb. 2) Kapitalkurven vs. Sharpe Ratio

Die Standardabweichung als Teil der Sharpe Ratio definiert Risiko als Unvorhersehbarkeit zukünftiger Performance

(Volatilität), nicht als Unvorhersehbarkeit eines Kapitalverlusts (Abwärtsvolatilität). Aus diesem Grund wird die linke Kapitalkurve aus Sicht der Sharpe Ratio als risikoreichere der beiden eingestuft.

Die linke Kapitalkurve wird im Vergleich zur rechten als risikoreicher eingestuft, weil starke Abweichungen vom Mittelwert nach oben („gute Volatilität“) bei der Berechnung der Sharpe Ratio „bestraft“ werden.

Aus diesem Grund könnte die Sharpe Ratio bei einer Trendfolgestrategie (viele kleine Verluste, wenige sehr hohe Gewinne) und einer völlig anders gearteten Handelsstrategie, die systematisch ungedeckte Optionen shortet (viele kleine Gewinntrades, wenige sehr große Verluste) das gleiche Risiko sehen. Dabei weist die statistische Verteilung bei dem erstgenannten Trendfolgemodell üblicherweise eine positive Schiefe auf, während das zweite Handelsmodell eine negative Schiefe bei der Performance-Verteilung zeigt – das Risiko ist also keineswegs dasselbe.

Abbildung 2 zeigt Verteilungen mit positiver und negativer Schiefe (engl. “skew”). Der Blick auf die rechte Verteilung zeigt, dass hier ein deutlich höheres Risiko versteckt ist, aufgrund potentieller Black Swan-Ereignisse Kapitalverluste zu erleiden (als “black swans” werden plötzliche, extreme seltene Ereignisse mit ungünstigen Folgen für das System bezeichnet).

positive und negative schiefe
Abb. 3) Performance-Verteilung mit positiver und negativer Schiefe

Fassen wir zusammen

Die Sharpe Ratio definiert Risiko als Abweichung der Returns ober- bzw. unterhalb ihres Mittelwerts
Die Sharpe Ratio unterscheidet bei der Risikokalkulation nicht zwischen positiver und negativer Schiefe einer Performance-Verteilung

SORTINO RATIO – ABWÄRTSVOLATILITÄT BESTIMMT DAS RISIKO

Eine alternative Kennzahl, die die Aufwärtsvolatilität und Abwärtsvolatilität jeweils gesondert betrachtet und nur letztere als Risiko einer Handelsstrategie ansieht, musste also her. Die Sortino Ratio, die von Brian M. Rom im Jahr 1983 eingeführt wurde, erfüllt diese Vorgabe. Ihr Name geht auf Frank Sortino zurück, der die ausschließliche

Betrachtung der negativen Abweichungen von einer angestrebten Mindestrendite als Risikomaß befürwortete. Nachfolgend die am häufigsten verwendete Formel für die diskrete Version der jährlichen Sortino Ratio:

Abb. 4) Sortino Ratio Formel

Die Sortino Ratio nimmt im Vergleich zur Standardabweichung ausschließlich die Verluste unterhalb eines Schwellenwerts wahr und legt den Fokus damit auf das Risiko signifikanter Verluste.

Die Sortino Ratio nimmt im Vergleich zur Standardabweichung ausschließlich die Verluste unterhalb eines Schwellenwerts wahr und legt den Fokus damit auf das Risiko signifikanter Verluste.

Die Sortino Ratio betrachtet ausschließlich die Standardabweichung der Returns unterhalb der angestrebten Zielrendite als Risiko
Die Sortino Ratio betrachtet Performance-Verteilungen mit negativer Schiefe grundsätzlich als risikoreicher als diejenigen mit positiver Schiefe

ANNUALISIERUNG BIRGT PROBLEME

Eine Problematik, die beide vorgestellten Kennzahlen betrifft, ist die Annualisierung. Liegen Gewinne bzw. Verluste nicht auf Jahresbasis vor, so kommt die sogenannte „Quadratwurzel-Formel“ zum Einsatz, damit man annualisierte Werte für die Sharpe und Sortino Ratio erhält. Die eingangs gezeigte Sharpe-Formel wird bei Zugrundelegung einer auf Tagesdaten basierenden Kapitalkurve wie folgt modifiziert, um die annualisierte Sharpe Ratio zu berechnen:

Annualisierung der Sharpe Ratio
Abb. 5) Annualisierung der Sharpe Ratio

Aufgrund unterschiedlicher Faktoren bringt diese Annualisierungsmethode ernsthafte Probleme mit sich, sodass die Ergebnisse nicht aussagekräftig sind. Die jährliche Sharpe Ratio weicht in der Regel deutlich von der annualisierten (mithilfe der Quadratwurzel berechneten) Sharpe Ratio ab. Das gleiche gilt für die Sortino Ratio. Eine Annualisierung beider Kennzahlen sollte daher grundsätzlich vermieden werden.

SHARPE ODER SORTINO – WELCHE KENNZAHL IST DIE BESSERE WAHL?

Welche der beiden Kennzahlen erweist sich bei der Messung des Risiko-Ertrags-Verhältnisses unterschiedlicher Handelsstrategien als bessere Wahl? Nun, sogar wenn man unter “Risiko” nicht die Instabilität der Performance, sondern vielmehr die Gefahr des Kapitalverlusts versteht, liefert die Sortino Ratio keine eindeutige Antwort auf diese Frage, da die bessere Kennzahl stark von der Zielsetzung und dem Charakter der zugrunde liegenden Handelsstrategie abhängig ist.

Nehmen wir an, Sie möchten das Risiko-Ertrags-Profil einer Handelsstrategie messen, deren Ziel darin liegt, relativ gleichmäßige Gewinne zu erwirtschaften. Das bedeutet, dass die Strategie so konstruiert wurde, dass sie kurzfristige Kursbewegungen ausnutzt, anstatt von extremen Situationen profitieren zu wollen.

Die Folge: hochprofitable Trades (wenngleich gern gesehen) sind höchstwahrscheinlich Glück zuzuschreiben, z.B. während eines starken Trends. Der gleiche starke Trend könnte schließlich beim nächsten Mal dafür sorgen, dass die Handelsstrategie aufgrund einer entgegengesetzten Position einen signifikanten Verlust generiert. Eine hohe Aufwärts- oder Abwärtsvolatilität solch einer Handelsstrategie ist also ein Hinweis darauf, wie gut es der Strategie gelingt, sich von extremen Situationen dieser Art fernzuhalten – schließlich wurde sie mit genau diesem Ziel konstruiert. Hierbei handelt es sich um eine Konstellation (und Sie werden vielen solchen Fällen begegnen, wenn Sie eine Optimierung der Parameter durchführen), bei der sowohl eine hohe Upside- und Downside-Volatilität in der historischen Performance unerwünscht ist, sodass die Sharpe Ratio für diese Handelsstrategie die geeignetere Kennzahl zur Beurteilung des Risiko-Ertrags-Profils darstellt.

Die Sharpe Ratio ist vorzuziehen, wenn die Stabilität der Kapitalkurve im Fokus steht

Betrachten wir nun eine Handelsstrategie, die auf starke und schnelle direktionale Trends des Underlyings abzielt und aus diesen den höchstmöglichen Gewinn einfangen möchte. In diesem konkreten Fall ist es ausschließlich die Downside-Volatilität, die bei dieser Strategie das wahre Risiko eines Kapitalverlusts bestimmt, schließlich ist die hohe Upside-Volatilität exakt das, was die Strategie zu erreichen versucht. In diesem Fall sollte folglich der Sortino Ratio der Vorzug gegeben werden.

Der Einsatz der Sortino Ratio ist sinnvoller bei Strategien, die auf eine hohe Aufwärtsvolatilität der Kapitalkurve abzielen (z.B. bei Trendfolgestrategien)

FAZIT

Dieser kurze Artikel beschreibt die essentiellen Unterschiede zwischen der Sharpe und Sortino Ratio. Gleichzeitig wurde aufgezeigt, welche Faktoren in Betracht gezogen werden müssen, bevor man sich für eine Kennzahl entscheidet, um ein Ranking der eigenen Handelsstrategien zu erstellen.

Quellen

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